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Vorgeschichte
Wieder einmal ging es in die Allgäuer Alpen, jedoch wählte ich diesmal als Startpunkt ausnahmsweise Hinterstein und nicht Oberstdorf.
Obwohl es bereits Ende Oktober war, lag durch den vorangegangenen starken Föhn so gut wie kein Schnee mehr und da der Wetterbericht auch noch einen Hochdruckkeil voraussagte, konnte ich mich auf ein paar schöne herbstliche Tourentage freuen.
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Blick auf die March..
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1. Tag: Hinterstein - Rauhhorn - Landsberger Hütte
Los ging es gegen 10.15 Uhr in Hinterstein. Das erste Ziel sollte das 2240 Meter hohe Rauhhorn sein.
Es ging jedoch zunächst schlechter voran als erwartet, da ich aufgrund der späten Jahreszeit (die Hütten waren ja geschlossen) meine komplette Verpflegung mitschleppen durfte.
Damit nicht genug, hatte ich mir noch die blöde Idee in den Kopf gesetzt auf dem Hochvogel zu biwakieren (wie einst Hermann v. Barth), was natürlich einiges zusätzliches Gewicht zur Folge hatte (Schlafsack, Isomatte, Kocher).
Sicherheitshalber nahm ich noch meinen Pickel mit, den ich im nachhinein auch zu Hause hätte lassen können. Das alles brachte den Rucksack auf ein Gesamtgewicht von über 20 kg!
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Hinterstein vom Rauhhorn fotografiert
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Leider war ich auch noch ein bißchen unfit, da ich etwas spät ins Bett gegangen war und durch den frühen Aufbruch nur 4 Stunden Schlaf abbekommen hatte.
Zur Krönung drückten meine neuen Schuhe auch noch ziemlich, was das Laufen auch nicht angenehmer machte.
Gegen Mittag machte ich dann erstmal ausgiebige Rast kurz hinter der Willers Alpe.
Nach weiteren 600 Hm war ich dann am Abzweig zum Rauhhorn angelangt.
Da ich mich jedoch entschied direkt über das Rauhhorn zu gehen und nicht dem Jubiläumsweg zu folgen, mußte ich nun einige IIer-Kletterstellen mit dem schweren Rucksack überwinden. Als ich endlich gegen 15 Uhr auf dem Gipfel ankam, fing es dann auch noch an zu schneien (der Hochdruckkeil hatte wohl noch etwas Verspätung) und es war richtig ungemütlich kalt. Deswegen hielt ich die übliche Gipfelrast so kurz wie nötig.
Der Abstieg wurde durch den schweren Rucksack dann aber zu einer richtigen Tortur: ich mußte nun wiederum IIer-Stellen abklettern, wobei öfters die Isomatte (die ich außen an den Rucksack geklemmt hatte) am Fels hängenblieb, was mich dann jedesmal aus dem Gleichgewicht brachte und zweimal beinahe gestürzt wäre.
Der Abstieg vom Rauhhorn hat mich deswegen auch ziemlich viel Zeit gekostet: im Aufstieg benötigt man rund 45 Minuten, ich habe für den Abstieg 75 Mins gebraucht!
Die Landsberger Hütte mit Schochenspitze (links) am nächsten Tag
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Langsam mußte ich mich beeilen, denn es war schon halb fünf und der Weg zur Landsberger Hütte noch weit. Ich hatte zwar alles für ein Biwak dabei, aber bei dieser feucht-kalten Witterung fröstelte es mich bereits bei dem reinen Gedanken die Nacht unter freiem Himmel (ohne Zelt) zu verbringen.
So kämpfte ich mich mit dem schweren Rucksack einerseits und den drückenden Schuhen andererseits mühsam weiter. Kurz vor 19 Uhr wurde es dann dunkel und ich war immer noch nicht auf der Hütte. Also, Stirnlampe raus und weiter gings.
Kurz vor 20 Uhr kam ich dann endlich ziemlich kaputt auf der Landsberger Hütte an.
Ich war der einzigste Gast im Winterraum und kam mir in dieser stürmigen Nacht dann doch ein bißchen verloren vor.
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2. Tag: Landsberger Hütte - Prinz-Luitpold Haus
An diesem Tag habe ich erstmal ausgeschlafen und bin erst recht spät gegen 9 Uhr aufgestanden.
Der Weg zum Prinz-Luitpold Haus war sowieso nicht besonders weit und ein Übernachten auf dem Hochvogel kam wahrscheinlich sowieso nicht in Frage, da das Wetter immer noch nicht so toll aussah.
Als ich dann gegen 10.30 Uhr aufbrechen wollte, kamen schon die ersten aus dem Tal an!
Nachdem ich mich noch kurz mit ihnen unterhalten hatte, ging es endlich los. Zunächst mußte ich den Teil zurücklaufen, den ich am Vortag im Dunkeln zurückgelegt hatte.
Nach knapp einer Stunde war dieser Teil zurückgelegt und ich befand mich wieder auf dem Jubiläumsweg, welcher sich nun recht sanft ohne große Höhenunterschiede Richtung Prinz-Luitpold Haus schlängelte.
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Der Hochvogel vom Jubiläumsweg gesehen
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Gegen 15.30 Uhr kam ich an die Abzweigung zur Bockkarscharte, mit 2164 m der höchste Punkt an diesem Tag.
Kaum war ich oben, verschlechterte sich das Wetter und es fing leicht an zu schneien. Deswegen machte ich keine große Rast, sondern stieg bald zur Hütte ab.
Dort kam ich schließlich gegen 17 Uhr an, wo ich einen weiteren Alleingänger im Winterraum antraf. Der Winterraum selber hatte eine recht gute Ausstattung: u.a. ein Gaskocher sowie Lebensmittel für den Notfall. Leider ist die Hütte mit Mäusen befallen (also lieber abends alle Lebensmittel wegpacken) und die Isolierung ist etwas schlecht, d.h. es könnte im Winter etwas frisch werden.
3. Tag: Prinz-Luitpold Haus - Hochvogel - Hinterhornbach
Heute kam endlich das versprochene schöne Wetter. Immer noch reichlich spät ging es kurz nach 9 Uhr los mit dem Tagesziel Hochvogel (2594 m).
Ich wählte die Route, die nicht über den Kalten Winkel, sondern über die Kreuzspitze ging, auf der ich kurz vor Mittag Rast machte.
Etwa gegen 13 Uhr war ich dann endlich auf dem Hochvogel. Hier rastete ich natürlich wieder ausgiebig um die Aussicht zu genießen, Fotos zu machen und die Dohlen zu füttern, die hier besonders zutraulich waren. Die Anführer-Dohle (ich erkannte sie an zwei fehlenden Zehen wieder) hatte ich bereits auf der Kreuzspitze gefüttert, sie hatte scheinbar aber immer noch großen Hunger, weswegen sie sich nicht nur von einem Ehepaar (neben mir die einzigsten auf dem Hochvogel), sondern auch noch von mir füttern lies. Durch die Freßsucht wurde diese immer zutraulicher (wie man auf dem Foto sehen kann), bis sie auf meinen Fußspitzen sitzen blieb und auf mein Knie hopfte, sobald ich ihr was zu fressen gab.
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Das Prinz-Luitpold Haus von der Kreuzspitze Blick Richtung Hindelanger Klettersteig/Wengenköpfe
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Achtung! Gewarnt wird vor dieser gefräßigen Dohle! Erkennungsmerkmal: 2 fehlende Zehen am linken Fuß.
Das Hochvogel-Gipfelkreuz; im Hintergrund die Zugspitze.
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Doch irgendwann war selbst diese Dohle vollgefressen und ich "durfte" meinen Weg nach Hinterhornbach über den Bäumenheimer Weg fortsetzen.
Hier ging es eine I-II hinunter, was mit dem Tourenrucksack wieder eine zeitraubende Sache war.
Besonders hier zeigte sich, wie unglaublich brüchig der Hochvogel ist: kein Band, auf dem keine Tonnen von Geröll lagen. Dieser Berg dürfte sicherlich einer der Brüchigsten des Allgäu's sein; jetzt weiß ich auch, warum im AV-Führer von sämtlichen Klettereien abseits der Normalwege abgeraten wird.
Langsam wurde es abend und ich mußte mir überlegen, wo ich übernachten sollte, denn hier gab es keine AV-Hütte in der Nähe (außer der Kaufbeurer Hütte, aber die war zu weit weg und lag nicht auf meinem Weg).
So hatte ich nur die Möglichkeit in Hinterhornbach in einem Gasthaus zu übernachten. Da ich aber -wie bereits erwähnt- alles für ein Biwak dabei hatte und das Wetter sehr gut aussah, schlug ich mein Lager im Hornbachtal auf.
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Da eine Inversionswetterlage herrschte (wie ich später erfuhr), hätte ich jedoch lieber irgendwo auf dem Berg biwakieren sollen, denn in der Höhe war es recht warm und im Tal hatte es Frost!
Mein Schlafsack war glücklicherweise für diese Temperaturen ausgelegt, aber gegen morgen wurde es dann doch recht frisch. Dafür konnte ich beim Einschlafen einen wunderschönen Sternenhimmel bewundern.
4. Tag: Hinterhornbach - Schöneggerscharte - H.v.Barth-Hütte
Als es hell wurde, bot sich mir ein frostiges Bild: der Tau auf meinem Rucksack war gefroren.
Doch kaum lief der Kocher, war die Kälte vergessen und mein Unternehmungsgeist kehrte zurück.
Heute ging es einen recht selten begangenen Weg, der über die Schönegger Scharte (2259 m) auf die H.v.Barth-Hütte führt. Und obwohl dieser Weg so selten begangen wird (sah man schon am Bewuchs), holten mich bereits gegen 10 Uhr ein paar frisch ausgeruhte Wanderer ein, die auf den Schreierkopf wollten.
Ich lies diese vor, doch sie waren dann doch nicht viel schneller wie ich, und so lief ich ihnen eben hinterher. Wir verfranzten uns wenig später dann gemeinsam, da an einer Kehre der Weg schlecht markiert war und geradeaus eine schöne Trampelspur zum Verlaufen einlud.
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Der Hochvogel; diesmal von der Schöneggerscharte. Im Vordergrund links der Schreierkopf.
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Beim Pausieren...
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Wir verloren dadurch mehr als eine Stunde, was die beiden dann leider ihren Gipfel kostete.
So picknickten wir erstmal gemeinsam. Ich kann mich an dieser Stelle nur nochmal für die Brötchen und Weintrauben bedanken, die sie mir anboten, da ich ja sonst leider keine Gelegenheit hatte an frische Lebensmittel zu kommen.
Nach dieser ausgiebigen Rast drehten die beiden um und ich setzte meinen Weg zur H.v.Barth-Hütte fort. Ich konnte mir mal wieder Zeit lassen und war gegen 17 Uhr an der Hütte, wo mich jedoch ein Kulturschock ereilte: jede Menge Kletterer waren hier, die durch das schöne Herbstwetter angelockt worden waren. So wurde die Nacht recht eng: im Winterraum gibt es 10 Schlafplätze und wir waren insgesamt 14 Leute! So mußten die zwei, die zuletzt angekommen waren, auf dem Tisch schlafen; der Rest quetschte sich ins Lager.
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5. Tag: H.v.Barth-Hütte - Marchspitze - Kemptner Hütte
Bereits am Morgen sah man, daß es ein super Tag werden sollte: Sonne und blauer Himmel pur.
Auch bergsteigerisch sollte es ein interessanter Tag werden, da die Nordostflanke der Marchspitze auf dem Programm stand, eine laut Führer selten begangene IIer-Kletterei in brüchigem Fels.
Ich wählte diesen Anstieg, da ich den Düsseldorfer Weg zur Kemptner Hütte gehen wollte und dieser eben über die Marchscharte (Ausgangspunkt der Nordostflanke) führt. Alle anderen Anstiege auf die Marchspitze wären ein größerer Umweg gewesen.
Kurz vor 10 Uhr kam ich an der Marchscharte an. Hier machte ich erstmal kurz Pause um mich nochmal zu stärken und meine Kräfte zu sammeln.
Laut Führer stand mir eine Kletterlänge von 200 m bevor, für die man 75 Minuten brauchen soll. Den Rucksack lies ich an der Scharte zurück und los ging's!
Zunächst klettert man 100 m in einer Rinne empor, die wirklich sehr brüchig ist. Hier überlegte ich kurz, ob ich mein Vorhaben nicht lieber abbrechen sollte, doch ich war viel zu neugierig auf den Weiterweg.
Blick von Marchscharte: in dieser Rinne ging es hoch.
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In dieser Rinne traf ich auf vereinzelte Schneereste, die steinhart gefroren waren und ich verfluchte bereits meine Entscheidung, den Pickel beim Rucksack gelassen zu haben!
Am Ende der Rinne wurde ich schließlich von einem Steinmännchen begrüßt und ich war mir nun ganz sicher, auf dem richtigen Weg zu sein. Nun ging es auf einem breiten Band in die Nordwand, bis ich auf eine "Schlucht" traf, die dann fast direkt auf den Gipfel führt.
Die Schlucht war fast vollständig mit Schnee gefüllt, doch ich hatte Glück, da der Schnee nur leicht angefroren war und ich somit problemlos auch ohne Pickel die rund 45 Grad geneigte Schneerinne emporsteigen konnte.
Durch den Schnee konnte ich mir natürlich die (brüchige) Felskletterei sparen, weswegen ich ziemlich schnell voran kam. Oben angekommen begrüßte mich erst einmal die Sonne wieder (war doch recht kalt in dieser Nordrinne) und mit wenigen Schritten gelangte ich schließlich auf den Gipfel! Und das alles in der halben Zeit (exakt 37 Minuten)!
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Die Marchspitze von Norden: rot markiert das Band und die Schlucht durch die die Route "Nordostflanke" führt
Noch zu erwähnen wäre, daß die Marchspitze an sich selten besucht ist: nur 20-40 Eintragungen pro Jahr zählte ich im Gipfelbuch, doch an diesem Tag folgten mir 4 weitere Leute von der Barthhütte, die allerdings den Südgrat nahmen.
Einer von ihnen kam 10 Min nach mir auf dem Gipfel an (und das obwohl er min. 30 Min früher von der Hütte weggegangen war) und wunderte sich, woher ich denn gekommen sei.
Er machte dann noch ein Foto von mir und ich eins von ihm, ich genoß noch einmal die herrliche Aussicht und machte mich auch schon wieder an den Abstieg, da dieser ja recht heikel war (und runter ist schwieriger als rauf) und ich mich deswegen etwas unwohl auf dem Gipfel fühlte. Doch vorsichtig und mit viel Geduld war ich in 50 Minuten wieder unten an der Scharte.
Jetzt war ich so glücklich diese Tour geschafft zu haben, daß ich sie am liebsten nochmal geklettert wäre!
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Am Gipfelkreuz der Marchspitze; im Hintergrund links der Hochvogel.
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Nach ausgiebiger Rast wanderte ich dann aber doch weiter über den Düsseldorfer Weg zur Kemptner Hütte.
Ein wirklich schöner Weg, nur bei Nebel und Neuschnee könnte man sich "auf der March" schnell verlaufen.
Ohne große Probleme kam ich dann gegen 18 Uhr auf der Hütte an, auf der leider auch wieder einiges los war.
Der Große Krottenkopf von der Marchspitze gesehen; im Hintergrund links der Heilbronner Höhenweg.
6. Tag: Kemptner Hütte - Kreuzeck - Rauheck - Oytal - Oberstdorf
Mit Kopf- und Gliederschmerzen wachte ich auf.
Nachdem ich mit viel Mühe den morgendlichen Alltag (waschen, frühstücken, packen) hinter mich gebracht hatte, ging es bereits um 7.30 Uhr los. Ich hätte jedoch lieber im Bett bleiben oder wieder umdrehen sollen, da ich nur sehr langsam voran kam.
Eigentlich wollte ich wieder zum Prinz-Luitpold Haus zurück, was ich in diesem Zustand jedoch aufgab. Ich entschloß mich "nur" bis nach Oberstdorf zu laufen, obwohl ich alle paar Meter pausieren mußte.
Irgendwann nachmittags kam ich dann endlich auf dem Rauheck an, doch bis Oberstdorf war es noch weit.
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Nochmal ein Blick zurück zur Marchspitze.
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Auf der Käseralpe versuchte ich eine Mitfahrgelegenheit bei der unfreundlichen Wirtin zu ergattern - vergeblich.
Ich hatte nun noch 3 Stunden Zeit die 10 km nach Oberstdorf zurückzulegen; eigentlich genug Zeit, da ich diese Strecke im August in 2 Stunden zurückgelegt hatte. Mit jedem Schritt wurde ich jedoch langsamer. Schließlich kam ich mit einem älteren Herrn und einem Hamburger Ehepaar ins Gespräch, denen ich mein Leid klagte.
Da ich wohl wirklich einen jämmerlichen Eindruck machte, machte mir der Ehemann das Angebot mir meinen Rucksack abzunehmen, wobei ich mich bei ihm an dieser Stelle nochmals bedanken möchte: ich weiß nicht, ob und wann ich es ohne diese Hilfe bis zum Bahnhof geschafft hätte.
Die beiden fuhren mich dann übrigens sogar noch die letzten 500 m zum Bahnhof! Es ist wirklich toll, daß es doch noch einige (wenige) hilfsbereite Leute gibt.
Damit schließt sich der Bergsommer 2000, welcher (für mich) doch recht erfolgreich war: eine schöne Tour durch die Lechtaler im Juni, die erste Hochtour und ersten Dreitausender sowie die Höfats-Überschreitung im August - und schließlich diese Tour.
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