Tourenbericht Klettern - Säuling Südwestwand und Pilgerschrofen

Aufbruch
Abmarsch Säulingparkplatz
Abmarsch Säulingparkplatz
Es ist Sonntag, der 3. August 2003. Wir, das sind mein Cousin Chris und Micha, letzterer schon bekannt durch einige Touren mit Gipfelstürmer-Thorsten, stehen um 7 Uhr auf dem Parkplatz zum Säulinghaus bei Pflach. Bis die Fahrräder montiert und die Füße Stiefel tragen sind 20min vergangen.

Als wir das Schild „Verbot für Fahrräder“ sehen, lassen wir die Bikes natürlich unten stehen. Alle nachfolgenden Bilder auf denen man Fahrräder sieht, sind billige Fotomontagen.
1,5 Stunden später sind wir am Fahrwegende angelangt und nach einem knapp halbstündigen Fußmarsch sitzen wir auf der Sonnenterrasse des Säulinghauses. Der Wirt erklärt uns freundlich den Weg in die Südostwand. Von der Hütte aus gesehen, stellt ein dunkelgrüner Grasfleck etwas oberhalb des Sattels den Einstieg dar. Der auffällig gelbe Wandteil soll oberhalb umgangen werden.
Ein Fahrradfahrer
Ein Fahrradfahrer
Chris unterwegs zwischen Hütte und Sattel
Chris unterwegs zwischen Hütte und Sattel
Säuling Südwestwand
Topo der Säuling Südwestwand
Topo der Säuling Südwestwand (356 kb)
(Vollbild)
Anmerkung zum Topo:
Es sind ALLE Bohrhaken (Standhaken + Zwischenhaken) eingezeichnet. Zu beachten ist, daß jeweils zum Ende der beiden schwierigeren Seillängen die Anzahl der Bohrhaken rapide absinkt.
Der Normalweg zum Säuling führt uns auf den breiten Sattel mit der Säulingwiese.
Der Steig ist steil und man muss trotz zahlreicher Sicherungen mal Hand an den Fels legen. Vom Sattel folgen wir dem Normalweg noch bis auf eine Kuppe, von der wir nach unten schauend Trittspuren und damit das Rucksackdepot schon sehen können. Einige Schritte nach Westen auf die markanten, mit Bohrhaken versehenen, Felszacken zu, eine grasige Rinne queren (Vorsicht, am Morgen steht das Gras noch voll im Saft!) und schon befindet man sich am Depot.

Dort bauen wir unseren ersten Stand, da das Gelände vor uns unbegangen ist und wir keine Ahnung haben, ob wir hier richtig sind. Bis ich den ersten Bohrhaken und damit den eigentlichen Einstieg entdecke, sind zwei Köpflschlingen gelegt und eine bröselige Rinne wurde leicht absteigend gequert.
Micha und Chris, die Darsteller dieser Bergfahrt, auf der Säulingwiese
Micha und Chris, die Darsteller dieser Bergfahrt, auf der Säulingwiese. Im Hintergrund: Forggensee und Schloß Neuschwanstein
Am 1. Stand
Am 1. Stand
(Vollbild)
Am 2. Stand
Am 2. Stand
(Vollbild)
Säulinghaus aus der Vogelperspektive
Säulinghaus aus der Vogelperspektive
Unsere zweite Seillänge führte mich zunächst weiter auf einem absteigenden Band, das aber nach etwa 20 Metern unmittelbar in die vorher erwähnte gelbe Wand mündet. Aha, zu tief, also Rückzug zum Stand, wo Chris sich freute mich wieder zu sehen, und von dort aus rechtsobenhaltend auf hellgraue Platten zu. Diesmal habe ich den richtigen Riecher und erreiche dort nach einer weiteren Köpflschlinge den ersten richtigen Standplatz mit zwei Bohrhaken.

Die nächste Seillänge fängt gut an, zwei BHs sind schnell geclippt, doch anstatt einer starken Linkswendung bin ich rechtsquerend der Richtung der beiden Bohrhaken gefolgt und nach einem hohl klingenden Rosthaken in rotem Bröseluntergrund, x Köpflschlingen und Seilzug als müsste ich Chris hinterher ziehen, in der grasigen Südwand gelandet. Ein weiterer Rückzug folgte, diesmal ohne Rufkontakt. Nur wenige Meter oberhalb von Chris, der nun schon bestimmt 45min wartete, entdeckte ich den dritten Stand an zwei Bohrhaken.
Schlüsselseillänge
Schlüsselseillänge
(Vollbild)
Michas improvisierter 4.Stand
Michas improvisierter 4. Stand
(Vollbild)
Nun standen uns laut Topo die beiden schwersten Seillängen bevor. Bis hier her ging die Kletterei nie über den 3. Grad hinaus.

In einer angedeuteten plattigen Rinne geht es an relativ guten Griffen steil hinauf bevor der vierte Bohrhaken den Weg aus der Rinne zu einer großen abgesprengten Schuppe weist, die erklettert wird (6-). Von dieser sind es nur noch wenige Klettermeter zum Wandbuch, bzw. den Überresten dessen: Deckel und Buch fehlen, es schwammen nur zwei Kugelschreiber in dem am Fels hängenden Behältnis. Es kommt noch besser, die in der Topo eingezeichneten Standhaken fehlen ebenfalls.
In der kleinen Grotte (Sanduhr) ist es mir zu feucht und so baue ich einen Schlingenstand mit dem nächsten BH und dem Rosti daneben.
Die nächste Seillänge führt wieder über Platten, diesmal links ansteigend. Die Kante erweist sich als henkelig, doch die Füße stehen fast nur auf Reibung (5).

Ich clippe einen Bohrhaken, einen rostigen Normalhaken, setze eine Köpfelschlinge und bleibe stets rechts der Gratkante. Der Friend 5 Meter über der Schlinge rutscht mir beim Drübersteigen aus der Verankerung und saust zum letzten Sicherungspunkt. Am Fuß eines kleinen Übergangs finde ich eine riesige Sanduhr, um die ich eine 1,20 m-Schlinge fädle. Nun kann ich mich wieder mit Ruhe nach dem Weiterweg umsehen.

Ein kleiner Kamin (5), der sich durch den Überhang windet, stellt den Weiterweg zum Stand an einem riesigen Block dar, wo sich auch die beiden letzten BH der Route befinden. Von diesem Standplatz ist der Gipfel noch nicht in Sicht. Ich quere nach links in eine geröllreiche Rinne und steige möglichst bald auf den Grat aus.
Säuling vom Hauptgipfel, Hintergrund Tannheimer Berge
Säuling vom Hauptgipfel, Hintergrund Tannheimer Berge
(Vollbild)
Der Grat selbst ist gut gangbar (II) und nach 45 Meter ohne Zwischensicherung finde ich einen Stand an zwei „gut“ aussehenden Normalhaken. 5 Meter weiter könnte man auch Stand an einem kleinen Pfeiler, Umfang etwa 1,5 Meter, machen. Von hier sind es nur noch 20 unschwierige Wandermeter zum seit dem Gratausstieg sichtbaren Gipfelkreuz. Nach kurzer Rast unter den Wanderern statten wir dem nur wenige Meter höheren einsamen Hauptgipfel einen Besuch ab. Die Besteigung dessen ist unschwierig, nur an einer Stelle etwas ausgesetzt aber lohnend.

Rucksackdepot und unterer Wandteil
Rucksackdepot und unterer Wandteil
(Vollbild)
Den Normalweg balancieren wir in Kletterschuhen in 30min zum Depot ab (manche Felsen sind verdammt schmierig, vorsicht bei Regen!), wo wir nochmals die mit Bohrhaken versehenen Felszacken beäugen. Falls jemand Topos dazu hat, bitte melden! Trotzdem entscheiden wir uns gegen das Klettern und wandern zum Sattel, wo wir uns rechts halten und Richtung Hohenschwangau absteigen.
Die Bouldermöglichkeiten am Grat zum Älpeleskopf sind arg begrenzt.
Die Bouldermöglichkeiten am Grat zum Älpeleskopf sind arg begrenzt.
Die Bouldermöglichkeiten am Grat zum Älpeleskopf sind arg begrenzt.

Pilgerschrofen
Unser nächstes Ziel heißt Pilgerschrofen. Der Weg, der zur Wildsulzhütte, einer ehemaligen Grenzerhütte, führt, ist stellenweise mit Drahtseilen gesichert und eine Eisenleiter muss auch überwunden werden. An der Hütte wenden wir uns nach links und steigen auf den Grat zwischen dem Pilgerschrofen und dem Älpeleskopf. Dort legen wir eine Rast ein und bewundern die steile, abweisende Nordwand des Pilgerschrofens. Der Weiterweg führt uns genau unter ihr hindurch. Ein frischer Wandausbruch, ein etwa 10m³-Brocken liegt wenige Meter unter dem Weg. Zwei Schilder der DAVS Füssen weisen auf die Steinschlaggefahr hin und erinnern an einen zügigen Weitermarsch.

Als wir die Staatsgrenze erreichen, es ist etwa 17Uhr, verstecken wir unsere Rucksäcke und steigen auf einem kaum erkennbaren Pfad in Richtung des schon sichtbaren Kreuzes des Pilgerschrofens. Steinmänner und der geschulte Orientierungssinn helfen sich nicht zu versteigen. Unerfahrene orientierungsschwache Graskletterer haben hier nichts verloren.

Einst war der Weg mal markiert, doch davon ist nichts mehr zu sehen. Man quert nun ein paar mal nach rechts, mal mehr mal weniger ausgesetzt und wühlt sich durch Buschwerk, bis man eine steile Grasrinne findet, die bis an die Gratfelsen heranführt (mehrmals I). In der Grasrinne halte man sich an ihrem linken Rand, bis man wieder Pfadspuren entdeckt, das ist weniger ausgesetzt. Unter dem Grat angekommen wendet man sich zum ersten mal nach links und steigt steil über die Felsen zum neuen Kreuz empor (II).
Rucksackdepot und unterer Wandteil
Die letzten Meter zum Gipfel des Pilgerschrofen
Nahblick auf 12-Apostelgrat und Säuling-W-Wand
Nahblick auf 12-Apostelgrat und Säuling-W-Wand
(Vollbild)
Früher gab es hier noch eine helfende Wurzel, die aber mittlerweile das Zeitliche gesegnet hat. Ein Gipfelbucheintrag umschreibt das passend: „Die Wurzel war sein letzter Griff, bevor er in die Tiefe pfiff!“.
Einst gab es auch zwei Gipfelkreuze, das alte bzw. seine Überreste befinden sich noch auf dem höchsten Punkt, das neue steht einige Meter unterhalb. Wir genießen die Aussicht, u.a. auch auf die Südwestwand des Säulings und die Nahblicke auf den 12-Apostel-Grat und steigen langsam ab. Die gut eingeprägte Aufstiegsroute hilft uns sicher zu unseren Rucksäcken zu gelangen. Gerade im Abstieg ist die gratnahe, ausgesetzte Grasrinne heikel und so brauchen wir für den Abstieg so lange wie auch für den Aufstieg, nämlich exakt 45min.

Ab der Grenze ist es eigentlich nur noch ein Katzensprung bis zum Säulinghaus. Doch wir verlaufen uns wie im Märchen im Wald und landen verwirrt auf einem neuen, nicht in der Karte eingezeichneten Fahrweg. Wir folgen ihm unter der Materialseilbahn hindurch bis an sein abruptes Ende, wo sich ein schmaler Pfad durch ein Hochmoor zu einem Jägerstand schlängelt. Von dort halten wir uns weiter südlich und erreichen 10min nach dem Fahrwegende das Fahrwegende von unserem Aufstieg vor etwa 10h.
Ruhiger Tourenausklang auf der Terrasse des Säulinghauses
Ruhiger Tourenausklang auf der Terrasse des Säulinghauses
Wir entscheiden nochmals die halbe Stunde zum Säulinghaus aufzusteigen, da die Radlermaß ruft. Die Rucksäcke lassen wir zurück. An der Hütte angekommen, wir sehen auf dem Weg dorthin erstaunlich viele Gemsen, müssen wir feststellen, daß niemand mehr da ist und die Hütte komplett verrammelt wurde. Und das oder etwa vielleicht deswegen, weil wir dem Wirt versprachen nach unserer Tour wieder vorbei zu kommen..

Egal, vor dem Eingang entdeckten wir fünf Flaschen Radler, etwa so viel Flaschen Apfelsaftschorle und ein Schild mit der Bitte das Geld dafür in den Briefkasten zu werfen. Vier Flaschen Radler, das abgeschaltete Dieselaggregat und eine menschenleere Sonnenterrasse, der Abend war gerettet! Wir blieben eine ganze Weile, bis die Dämmerung uns zum Aufbruch mahnte.

Rasch waren wir am Rucksackdepot bei den Fahrräd.. ähh.. beim Fahrwegende angekommen und 15min später am Parkplatz. Die Idee die Kletterhelme zum Runterweg anzuziehen, kam uns erst beim Einladen der Fahrräder gegen 21:20Uhr, 14 Stunden nach dem Aufbruch.
Fazit
Die Westwand des Säulings ist bis auf eine Route unsaniert, was aber bei der sanierten Route „Südwestwand“ nicht bedeutet, dass sie übermäßig abgesichert oder häufig begangen wurde, sondern genau das Gegenteil. Zum Finden des Einstiegs und auch in der Wand ist gutes Orientierungsvermögen gefragt. Zur zusätzlichen Absicherung sind ein paar Schlingen, sowie ein kleines Keilsortiment hilfreich und meiner Meinung nach unbedingt nötig.

Die Besteigung des Pilgerschrofens auf dem Normalweg verlangt ebenfalls Orientierungsvermögen, sowie Vertrautheit im Umgang mit Steilgras. Trittsicherheit und absolute Schwindelfreiheit sollten selbstverständlich sein.

Die Verbindung Besteigungen der Säuling Südwestwand und des Pilgerschrofens verlangen eine gute Kondition für 1600Hm.
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(c) by Michael Dressler, 2003