Ich habe in Karl Schotts Buch "Lechtaler Impressionen" eine interessante Chronik zur Freispitze gefunden.
Text folgt als ocr Scan.
Karl Schott Chronik der Freispitze
Die Erstbesteigungsgeschichte Der »Kleine Führer durch die Lechtaler Alpen« (Rogister/ Groth, 1968, Bergverlag Rudolf Rother) schreibt kurz und bündig: »Freispitze, 2887 m. Durch Form und Aussicht berühmt!« Soweit bekannt, hat es bisher noch niemand unternom- men, die Ersteigungsgeschichte dieses markanten Lech- tal-Gipfels zu schildern, der bereits im Jahre 1774 in der berühmten Tirol-Karte von Peter Anich als »Freyspitz« erscheint. Das Jahr der Erstbesteigung ist - wie bei den meisten Lechtaler Gipfeln - unbekannt, da die zugänglichen Berge, noch ehe die Touristen kamen, längst von Gems- schützen, Hirten oder Wildheuern bestiegen waren, die aber davon nichts niederschrieben. Als Erstbesteiger der kühnen Freispitze gilt Anselm Klotz aus Stockach, der erste Lechtaler Führer - 1885 vom Alpenverein autorisiert. Es muß vor 1875 gewesen sein, dem Jahr, als er mit Hofmann (München) den Parseierals erster, aus dem Lechtale kommend, bestieg und dabei von dieser Freispitz-Ersteigung erzählte. Klotz deutete übrigens den Bergnamen wie folgt: Bei der Vermessung in den Jahren 1818-1820 hätten alle bedeu- tenden Gipfel Signale bekommen, nur der schwer zugäng- liche Freispitz sei »frei« von einem Signal geblieben! Die zweiten Bergsteiger (19.8,1878), Dr. Anton Sattler aus Wien, mit dem genannten Führer Klotz (vulgo »Koaserle«), benützten den Weg des Erstbesteigers: die steilen Gras- hänge aus dem Alperschontal. Die Gehzeiten der beiden: 1.45 Uhr ab Bach (Lechtal), 8.30 Uhr am Gipfel, Schnann im Stanzertal an 3.30 Uhr! Die »zweite touristische« Besteigung - so wurde damals gewertet - verbuchte dann der Memminger Erschließer- könig der Lechtaler Alpen, Anton Spiehler, ebenfalls mit Klotz (1881). Dabei maß er die Neigung der Grashänge mit durchschnittlich 45°, an den steilsten Stellen bis 60°. Steig- eisen waren ihnen eine gute Hilfe. Bei diesem Berggang
entschied sich übrigens der zukünftige Standplatz de Memminger Hütte, denn das Parseiertal schied - ange sichts des schlimmen Zugangs aus diesem Tal zur Fre spitze - aus (Klotz: »dort kommt man nicht durch, mai braucht eine Leiter wie an einem Kirchturm!«). In de Bücherei DAV Memmingen kann man noch heute dei verwaschenen Text der Gipfelaufzeichnungen von Spieh ler nachlesen. Wegen der fehlenden »Kirchturm-Leiter« mußte soga Ludwig Purtscheller an der Freispitze kapitulieren, als e an einem Tage und allein Wetterspitze, Feuerspitze, Rot spitze und Rotplatte stürmte und vordersteilen Südwant »abdrehen« mußte. Doch 1898 fand endlich Martin DraxI (»Lipple«) die schwa ehe Stelle der Freispitze-Südwand, als er einen Gamsbocl mitten durch die Wand »eilen« sah und ihm flugs nach kletterte. Ein Jahr später führte dann »Lipple« den Inns brucker Karl Steininger über den neuen Weg. Das gleiche Gespann stieg 1903 durch die äußers brüchige Südostflanke des Berges aus dem Parseie Grieß; Steininger: »Wer hier gleitet, hat die Leiden de Welt hinter sich!« Derselbe »Lipple« soll sogar, mit einen Gamsbock im Rucksack (!), die Nordwand des Berge durchstiegen haben, 1907 oder 1908 (Aufstieg oder Ab stieg?), schreibt Walther Flaig im Tourenbuch der Mem minger Hütte. Mit Walther Flaig, damals Stuttgarter, ist die Nacherschlie ßung der Freispitze eng verbunden, denn 1920 beging e wohl als erster (allein) den Ostgrat mit Jägerrücken ii 12 Stunden Gesamtzeit von der Memminger Hütte un( zurück zum Ausgangspunkt. Damit war die großzügigst« Gratkletterei am Berg eröffnet. Außerdem entdeckte e den direkten Zugang zu unserem Berg von der Memmin ger Hütte, die steile Freispitz-Scnarte, mit dem »Erdigei Grat« aus dem Parseier Grieß. Mit seinem Landsmani 0. Häfele durchkletterte Flaig auch noch die Nordwan< der Freispitze. Kletterpatschen, Steigeisen und Eispicke kamen bei dieser kombinierten Fahrt zur Anwendung »Die Kletterei ist fast nie leicht, immer aber heikel!« (Flaii im Tourenbuch der Memminger Hütte.) In diesem Tourenbuch steht auch der Bericht über di< erste Begehung der Südostwand des Berges. Ernst Paulu und Bärbel Preißler(Nürnberg) stiegen vom 7. bis8.8.192! durch den 600 m hohen Absturz. Sie trafen schwierigi bis äußerst schwierige Kletterstellen in gutem Gestein ar Als ihre Nachfolger fanden Karl-Heinz Walz und K. Schot im Juni 1967 noch 2 oder 3 Haken, die beschriebene! Steinmänner von damals nicht. Schließlich fehlte nur noch die Wintererstbegehung die man wohl dem Augsburger Rolf von Chlingensperg zu- schreiben kann. Chlingensperg stieg an Weihnachten 1939 mit seiner Frau und einem Freund vom Lechtal zum Appenzeller Kar auf, benützte bis zum Dreischartle (P. 2558 m der AV-Karte) die Ski und erreichte am Abend den Gipfel über den \\cf1 estgrat. Im April 1958 folgten Erhard Scholaster und K. Schott derselben Route Sie konnten sich davon überzeugen: a) die Freispitze ist von dieser Seite (Alperschontal - Ao- penzeller Kar) auch ein »Skiberg« b) dieser Anstieg dürfte auch im'Sommer der leichteste und kürzeste sein. (Neuere Erschließung des Berges siehe »Neutouren-Doku- mentation«!) Bis heute ist die Freispitze ein Berg wie zu Zeiten der alpinen Pioniere geblieben, denn außer dem Gipfelkreuz und -buch ist er unberührt wie je - keine Markierung kein Weg.ja nicht einmal eine Wegspur im Geröll begegnet hier dem Bergsteiger. »Schuld« daran ist wohl daß der Weg von der nächsten AV-Schutzhütte Ansbacher Hütte lang und über zwei weitere Gipfel (Rotspitze 2841 m Rot- platte, 2841 m) führt und auch sonst der Gipfel von keiner Seite leicht zu »machen« ist. Jüngste Erschließung an der Freispitze - die Südwand Begeht man den AV-Weg Ansbacher Hütte - Memmin- ger Hütte, so fallt dem Bergwanderer besonders die gewaltige Plattenflucht der Freispitze-Südwand auf Da die etwa 450 Meter hohe und 600 Meter breite Wand von keiner Hütte eingesehen werden kann, konnte sie ihre Jungfräulichkeit bis in unsere Jahre hinein bewahren Doch im Jahre 1966 und 1967 machten die Allgäuer Peter Heel und Manfred Schreck (1969 Eiger-Nordwand) die ersten Erkundungen an der Wand, die sich im besten Oberratkalk aus dem Parseier Grieß aufsteilt Der Einstieg befand sich dort, wo der Schnee am höchsten die Wand hinaufreicht. Etwa eineinhalb Seillängen wurden damals begangen. 1968 mit Sommerbeginn wurde der Anstieg weiter nach l rechts (östlich) verlegt. Der Fels ist äußerst kompakt Um • größtmögliche Sicherheit in die Route zu bringen |